12. Dezember 2024 — Sindy Poschetzky
Öffentliche Ausschreibungen: Wer wagt, gewinnt
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) betont die Bedeutung von KMU (kleine und mittlere Unternehmen) im Kontext öffentlicher Aufträge.
Die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ist wichtig, weil sie ein oft unterschätzter Bestandteil der Wertschöpfung von KMU ist. Auch für Unternehmen, die bisher nur privatwirtschaftliche Auftraggeber bedienen, lohnt es sich, sich auf dem Marktplatz für öffentliche Ausschreibungen umzusehen. Ausschreibungen wirken oft komplex, wenn Sie sich aber an folgenden Schritten orientieren, ist es halb so schlimm.
Typischer Ablauf:
1. Finden Sie passende Ausschreibungen: Nutzen Sie Portale, wie die Vergabeplattformen der Länder, die eVergabe des Bundes oder TED (Tenders Europe Daily), um öffentliche Ausschreibungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zu durchsuchen. Neben diesen kostenfreien Portalen gibt es auch kostenpflichtige Anbieter.
2. Schlüsselwörter und CPV-Codes: Suchen Sie in den Portalen gezielt nach Schlüsselwörtern oder CPV-Codes, die zu Ihrem Geschäftsfeld passen. Beispielsweise steht der CPV-Code 72000000-5 für IT-Dienste. Je präziser die Suchbegriffe, desto relevanter die Ergebnisse. CPV-Codes stellen das einheitliche Vokabular für öffentliche Ausschreibungen dar. Je offener der Suchbegriff, desto mehr Ergebnisse sind zu erwarten.
3. Um Aufträge bewerben: Bewerben Sie sich nun direkt auf die aufgelisteten Beschaffungsvorhaben oder lassen Sie sich regelmässig von den Plattformen automatisch per Mail über neue Ausschreibungsbekanntmachungen informieren.
4. Öffentliche Ausschreibungen bearbeiten und Angebot einreichen: Füllen Sie alle Dokumente gewissenhaft aus. Legen Sie alle geforderten Nachweise bei und halten Sie die Fristen ein. Stellen Sie Fragen an den Auftraggeber innerhalb der Frist.
5. Bewertung Ihres Angebotes: Der Auftraggeber wird alle eingereichten Angebote zentral öffnen und nach einem Bewertungsschema bewerten.
6. Präsentation: Oft sind Vor-Ort- oder Remote-Präsentationen erforderlich. Hier überzeugen Sie durch eine klare Darstellung Ihres Produktes und Ihrer Lösung sowie Dienstleistungen. Dies geht in die Gesamtbewertung ein.
7. Zuschlag und Projektstart: Nach der finalen Bewertung erhält ein Anbieter den Zuschlag, die Verträge werden unterzeichnet – das Projekt kann beginnen.
Worauf ich achte:
- Kriterien: Die Eignungskriterien bilden zusammen mit den formalen Bestimmungen das Herz der Ausschreibung. Diese müssen zwingend erfüllt werden, da deren Nichterfüllung unmittelbar zum Ausschluss führt. Ebenso verhält es sich mit den Muss-Kriterien, deren Nichterfüllung zur Abwertung führt. Die Zuschlagskriterien hingegen fliessen in die finale Entscheidung des Auftraggebers ein und beeinflussen die Vergabe massgeblich. Kann-Kriterien sind optional, jedoch empfehlenswert: Je mehr dieser Kriterien erfüllt werden, desto besser stehen die Chancen, positiv bewertet zu werden.
- Formale Bestimmungen: Fehler, wie die Nutzung eines eigenen Dokuments statt der vorgegebenen Vorlage, führen zum Ausschluss. Einheitliche Bewertung erfordert strenge Regeln.
- Fristen: Verlängerung der Bearbeitungszeit ist in der Regel nicht möglich. Planung ist daher entscheidend.
- Erfüllungsgrad der Anforderungen: Features, die erst entwickelt werden müssen, erhalten weniger Punkte, daher prüfe ich genau, ob das Produkt und unser Know-how die Anforderungen trifft.
- Design: Abseits der Vorlagen des Auftraggebers nutze ich das eigene Corporate Design, Farben und eine übersichtliche Struktur, um einen professionellen Eindruck zu hinterlassen.
- Vertragswerk: Die AGB des Beschaffers sind meist nicht verhandelbar. Ich prüfe diese genau, zum Teil auch mit rechtlichem Beistand, um wirklich auf Nummer sicher zu gehen, dass wir die Geschäftsbedingungen des Auftraggebers erfüllen.
- Rechtslage: Es existieren unterschiedliche Rechtslagen und Gesetze zur öffentlichen Vergabe im DACH-Raum, Europa und auch global. Oft sind die Gesetze stark aneinander angelehnt, dennoch lohnt sich ein Blick ins Gesetz.
Öffentliche Beschaffung in Wissenschaft und Forschung:
Auch die wissenschaftliche Forschung befasst sich intensiv mit der Teilnahme von KMU an der öffentlichen Beschaffung. Dabei wird häufig die Sichtweise des Gesetzgebers oder der Beschaffer untersucht, beispielsweise im Hinblick auf die Gestaltung von Vergaberichtlinien. Doch ebenso bedeutsam ist es, unsere Perspektive – also die der KMU – einzubeziehen. Die Forschung lässt sich dabei in drei zentrale Themenbereiche gliedern: erstens die Barrieren, mit denen KMU konfrontiert sind, zweitens mögliche Lösungen zur Förderung ihrer Beteiligung, und drittens die Vergaberichtlinien selbst, die als Rahmenbedingungen für beide Seiten dienen.
Hindernisse sind:
- Allgemeine Barrieren des Systems: Direktvergabe an Wettbewerber, Lieferantenbindung, Interoperabilität, Vendor-Lock-in
- Erfahrungsbedingte Barrieren der KMU: mangelnde Transparenz, Korruption, Kosten der Angebotsabgabe, Wettbewerb
- Rechtliche und politische Barrieren: Unzureichende Umsetzung bzw. Wirksamkeit politischer Vorgaben für KMU
Die Lösungen hierfür sind:
- Eine umfassende Reform des öffentlichen Beschaffungswesens, inklusive eines Subventionsmodells und Ausgabenzielen, sowie Kapazitätsaufbau.
- Zugang zum Kapitalmarkt für KMU verbessern.
- Nutzung und Ausbau elektronischer Märkte.
- Innovationen bei öffentlicher Vergabe stärker in den Fokus rücken und somit stärkere Anreize für KMU schaffen.
- Strategien, die KMU selbst verfolgen können, um die Barrieren zu überwinden:
- Temporäre Partnerschaften
- Training, Schulung sowie Ausbildung zur Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen
- Beziehungs- und Prozesskompetenz stärken
- Zugang zum Kapitalmarkt
Das, was die Wissenschaft zum Thema öffentliche Ausschreibungen und KMU erforscht, ist sicherlich interessant. Doch jetzt kommen fünf praktische, konkrete Tipps, die Ihnen und Ihrem Team helfen, erfolgreich an Ausschreibungen teilzunehmen und diese zu gewinnen.
7 praktische Tipps, damit es klappt:
- Referenzieren: Halten Sie Ihre Referenzprojekte aktuell und wählen Sie Ansprechpartner, die auch bereit sind, anderen Auftraggebern eine Auskunft zu geben.
- Wissen: Sammeln Sie all das Wissen über regelmässig abgefragte Informationen zu Ihren Produkten und Dienstleistungen in einem zentralen System, jederzeit und schnell abrufbar für jeden in Ihrem KMU oder Start-up, der Ausschreibungen bearbeitet.
- Reagieren: Reagieren Sie auf die Anforderungen der Einkäufer. Ein Beispiel: In der aktuellen Ausschreibung, die Sie auf dem Tisch haben, wird schon wieder eine ISO 270001 Zertifizierung gefordert. Das ist schon die 3. Ausschreibung dieses Jahr mit dieser Anforderung, also überlegen Sie, ob es strategisch sinnvoll ist, diese Zertifizierung anzustreben und mehr Chancen bei Ausschreibungen zu haben.
- Trainieren: Lassen Sie sich schulen und bilden Sie sich weiter. Es gibt eine Fülle an Workshops, Webinaren und Kursen zu allen Themen der öffentlichen Vergabe. Das ist ein gutes Investment in Sie selbst, sodass die Teilnahme an Ausschreibungen künftig wie am Fliessband läuft.
- Kooperieren: Schliessen Sie strategische Partnerschaften mit geeigneten Unternehmen, um gemeinsam Ausschreibungen zu gewinnen.
- Evaluieren: Nutzen Sie sämtliche Tools und Hilfestellungen, die die Bearbeitungsphase erleichtern. Wie kann beispielsweise eine unternehmensweite KI bei Ausschreibungen helfen oder lohnt sich eine zusätzliche Software?
- Aber der wichtigste Tipp ist: Überhaupt teilnehmen!
Gerade für kleinere Unternehmen bedeutet dies oft, regelmässig an mehreren Ausschreibungen teilzunehmen, um die eine passende zu gewinnen. Jeder Versuch bringt Sie näher zum Erfolg.
Noch ein kleiner Extra-Tipp für alle, die bis hierhin gelesen haben:
Informieren Sie sich bei KOINNO, dem Kompetenzzentrum für innovative Beschaffung. Dort finden Sie hilfreiche Ressourcen, wie Webinare und Praxisbeispiele, und auf dem Marktplatz der Innovationen können Sie Ihr Produkt oder Ihre innovative Dienstleistung platzieren. So wie wir hier Subsign - Das Portal für elektronische Signaturen - präsentieren.